Vorderasiatische Archäologie
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Nordstadt

Die Nordstadt wurde in der magnetischen Prospektion von H.-J. Becker und J. Faßbinder 1998 begangen. Aufgrund der Ergebnisse legten wir mehrere Grabungsstellen gezielt an. Die letzte Besiedlungsphase ist zeitgleich zu derjenigen der Weststadt (Grabungsstelle „Abdallahs Feld“). Vorhergehende Siedlungsphasen gehen bis in die MBZ zurück (Grabungsstellen „Stadtmauer“ und „Schule“) und zeigen, dass hier die Altstadt der Flachsiedlung lag.

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Dr. H. Becker und Dr. J. Faßbinder bei der                       Drachenphoto der Grabungsstelle "Abdallahs Feld" und geophysikalischen Prospektion der Nordstadt                (unten) "Stadtmauer" (oben rechts) am Fuße                    1998                                                                                der Zitadelle, die sich durch beraubt Gräber hervorhebt.                                                                                         Norden ist rechts

Grabungsstelle "Abdallahs Feld"

An der Stelle, wo die 1998 durchgeführte magnetische Prospektion mehrere Gebäude mit ungewöhnlichen Grundrissen sichtbar werden ließ, wurde zunächst von Nord nach Süd ein 40 m langer und zwei Meter breiter Schnitt gelegt. Dieser erbrachte in der nördlichen Hälfte Gebäude, deren letzte Phase aufgegeben und dementsprechend fundleer war; ihr Grundriß war noch nicht sicher festzustellen, scheint jedoch nicht dem der üblichen Bazi-Häuser aus der Weststadt zu entsprechen. Mehrere Sondagen ergaben, daß vorausgehende Schichten verbrannt und fundreich sind, jedoch wurde von einer großflächigen Untersuchung zugunsten des südlich anschließenden Bereichs abgesehen.

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Häuser 1 und 2, Grabungsstelle Nordstadt, "Abdallahs Feld" (Stand: 2001)


Etwa nach 20 m wurde eine breite Straße mit üblichem Belag aus Abfall angeschnitten, und südlich davon Gebäude, deren letzte Phase stark verbrannt und voller Inventar war. Dieser Bereich wurde zu einer Flächengrabung ausgedehnt. Es kamen zwei eng aneinander gebaute Häuser zutage (Haus Nordstadt 1 und 2), deren trapezoide Grundrisse offensichtlich auf den Straßenverlauf Rücksicht nehmen mussten. Ansonsten entspricht Haus 1 mit einem langgestreckten Hauptraum und einer Reihe seitlich flankierender Nebenräume ganz dem üblichen Bazi-Haustyp der Weststadt, und auch das reiche Inventar hat genaue Parallelen in den Weststadt-Häusern. Auch in Haus 1 ließ sich ein zweites Geschoß über den kleinen Räumen nachweisen, sowie neben häuslichen Funktionen Hinweise auf Metallverarbeitung. Das Haus zeigt durchgängig zwei Fußböden, die 20 bis 50 cm Differenz haben, wobei vermutlich der obere Fußboden vor allem die hangbedingte Abschüssigkeit ausgleichen sollte. Nicht überall blieb uns die Zeit, bis auf den unteren Fußboden zu gelangen.
Haus 2 zeigt einen etwas anderen Grundriß mit einem trapezoiden Hauptraum, an dessen beiden Stirnseiten sich jeweils kleinere Räume anschließen. Vermutlich ist der veränderte Grundriß in der beengten Lage begründet. Ungewöhnlich ist jedoch die Existenz von zwei Säulen im Hauptraum, die bei einer Raumbreite von 3,5 bis max. 5,5 m nicht konstruktiv bedingt gewesen sein können; es sei denn, man nimmt die komplette Zweigeschossigkeit des Hauses an, vielleicht um die mangelnde Grundfläche auszugleichen. Auch hier ist eine teilgewerbliche Nutzung des Hauses u.a. durch massive Schlackeansammlungen in Raum 30 belegt. Ein Schnitt unter dem Fußboden in der Südwestecke von Raum 17 ergab, daß sich auch hier eine ältere Schicht mit anders orientierten Gebäuden findet, deren Ende durch Brand verursacht wurde.

Nordstadt, Grabungsstelle "Stadtmauer"

An der Stelle, wo sich die frühbronzezeitliche Stadtmauer der antiken Siedlung Banat (Grabung Tom McClellan / Ann Porter) bis zum Zitadellenfuß erstreckt, waren bereits oberflächlich Steinmauern sichtbar. Da zudem an dieser Stelle die Geophysik von 1998 die Fortsetzung der in Grabungsstelle 4 angeschnittenen Straße erwarten ließ, wurde hier ein Nord-Süd-Schnitt angelegt, der stellenweise zu Flächengrabungen vergrößert wurde. Die oberste Bebauung wurde zwar sehr bruchstückhaft ergraben, dennoch läßt sich unschwer erkennen, daß die verschiedenen Einheiten (bunt gekennzeichnet) in ihren Grundrissen nicht dem üblichen Bazi-Haus entsprechen; da sie außerdem unterschiedlich tief gegründet sind, erwecken sie eher den Eindruck einer gewachsenen Siedlung. Weil das Inventar der letzten Phase jedoch weitgehend dem der Weststadthäuser entspricht, müssen andere Gründe für die Grundrißformen vorliegen, die beim gegenwärtigen Stand noch nicht sicher erkannt werden können. Es könnten funktional verschiedene Bereiche sein, oder es könnte sich um einen zeitlichen Unterschied handeln: vielleicht befanden sich hier ältere Gebäude, die mehrfach erneuert wurden. Denn viele der Gebäude weisen mehrere Phasen auf, deren letzte gewaltsam zerstört wurde.

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Vorläufiger Plan der Grabungsstelle Nordstadt, "Stadtmauer"


Im Schutt des herabgestürzten Obergeschosses von Haus 5.6 fand sich ein bislang in Bazi einzigartiges Libationsgefäß in Form eines liegenden Löwen.
In Areal 60/35 SW wurde ein Tiefschnitt unter dem Fußboden des Gebäudes bis zum gewachsenen Boden ausgeführt. Dieser besteht aus abschüssigem Lehm, auf den unmittelbar Mauern gesetzt wurden, innerhalb derer dann Ausgleichsschichten für einen horizontalen Fußboden angeschüttet wurden. Das angeschnittene Gebäude ist noch 1,5 m hoch erhalten und in einem heftigen Brand zugrunde gegangen. Auf einem Steinplattenboden jenseits der Raummauer lag noch eine silberne Gewandnadel mit eingerolltem Kopf. Die Steinmauern der folgenden Schicht legen sich teilweise direkt auf die sorgfältig verputzten Mauern der verbrannten unteren Schicht, was dafür spricht, daß kein großer Hiatus zwischen den Schichten anzunehmen ist.
Nordstadt, Grabungsstelle "Schule"
An der Stelle der bis 1999 existierenden Dorfschule von Banat war oberflächlich ein breiter Mauerzug zu erkennen. Um festzustellen, ob er zu einem größeren Gebäude, zu einer Terrassierung, zur Fortifikation oder anderem diente, wurden 2000 vier 4x4 m-Quadranten eröffnet. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß es sich um eine Terrassierungsmauer des stark abschüssigen Geländes handelt. Südlich von ihr befand sich eine Freifläche, nördlich ein Werkstattbereich mit großen birnenförmigen Öfen, die vermutlich zum Brennen von Keramik dienten.
In dem ufernäheren Areal 55/41 war das Arbeiten durch die Nässe extrem erschwert; dennoch konnte ein Haus mit Stein-Lehmziegelmauern und stark verbranntem Inventar angeschnitten werden. Ein bemerkenswerter Kleinfund stammt aus dem Hauptraum zwischen den Scherben großer Vorratsgefäße: eine handgeformte Figurine aus ungebranntem Ton, die einen Bär mit bronzenem Nasenring, vermutlich einen Tanzbär darstellt (Einwag – Otto 2006, 126, Abb. 14).

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Figurine eines Bären mit bronzenem Nasenring

Nordstadt, Grabungsstelle "Uferbereich"

Eine Grabungsstelle direkt am und teilweise im Wasser war nicht geplant gewesen; sie ergab sich daraus, daß während der Kampagne 2000 ein Arbeiter einen kompletten Bronzedolch an einer Stelle fand, die von freigespülten Steinmauern umgeben war. Um den Charakter des Gebäudes zu klären, wurde eine begrenzte Ausgrabung (die Arbeit im nassen Schlamm war schwierig) mit einer Dokumentation der unter Wasser und am Ufer sichtbaren Steinsockel der Mauern kombiniert. So ergaben sich die fragmentarischen Grundrisse von drei bis vier Häusern des Bazi-Typs, die aneinandergebaut bzw. durch eine Gasse voneinander getrennt waren. Auch weitere Reste des Inventars wie Steingeräte, ein Feuerbock, Gewichte und anderes konnten geborgen werden.

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Rettungsgrabung am Uferbereich


Weitere Begehungen im angrenzenden Uferbereich erbrachten, daß sich hier eine der Weststadt architektonisch ähnliche, zeitgleiche Besiedlung wohl über einen weiten, wenn nicht den gesamten überschwemmten Bereich der Nordstadt erstreckte. Zu den reichen „Lesefunden“, die wir an den Tagen nach bewegtem Seegang beim Abgehen der sichtbaren Häuser im Uferbereich machten, gehört auch die vollständig erhaltene Terrakottaplakette eines Lautenspielers, die mit der Schauseite nach unten dicht an der Binnenmauer eines Hauptraumes lag. Sie zeigt einen Laute spielenden und tanzenden Mann in kurzem, mit Troddeln geschmücktem Rock und mit langer Haarlocke.

Litertur speziell zur Nordstadt:

B. Einwag, A. Otto, Tall Bazi 2000 und 2001 – Die Untersuchungen auf der Zitadelle und in der Nordstadt, DaM 15 (2006) 105-130