Vorderasiatische Archäologie
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Wadi Rajib Archaeological Project - Jordanien

Das Projekt

Das Wadi Rajib Archaeological Project wurde 2021 von Simon M. Halama (LMU) und Nabil Ali (Jordan University) ins Leben gerufen, um das kulturelle Erbe in Wadi Rajib in Nordjordanien zu dokumentieren und zu erfassen. Eine erste Surveykampagne wurde im September 2021 durchgeführt und von der Deutschen Orient-Gesellschaft finanziert. Eine zweite Surveykampagne im September 2022 wurde durch Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der LMU München ermöglicht. Eine Fortsetzung des Forschungsprojekts ist für den Herbst 2024 geplant.

Lage und Geographie

Landschaft im oberen Wadi Rajib

In den höher gelegenen Regionen des oberen Wadi Rajib gibt es noch einen ausgedehnten Bestand an Wäldern. An den Hängen werden vor allem Oliven angebaut.

Wadi Rajib liegt im Nordwesten Jordaniens im Ajlun-Gebirge, das die östliche Flanke des Jordantals säumt und die niederschlagsreichste Region des Landes ist. Die Gipfel des Ajlun erreichen vereinzelt mehr als 1200 Meter Höhe über dem Meeresspiegel, sodass der Höhenunterschied zum unter dem Meeresspiegel gelegenen zentralen Jordantal 1400 Meter und mehr beträgt. Wie auch die anderen Täler des Ajlun war Wadi Rajib damit auch ein potentieller Verkehrs- und Kommunikationsweg zwischen dem Jordantal und dem jordanischen Hochplateau. Wadi Rajib bezeichnet sowohl einen Nebenfluss des Jordan, der im Ajlun-Gebirge entspringt, als auch das System von Tälern, das er mit seinen aus vielen Quellen gespeisten Zuläufen in die Höhen des südlichen Ajlun gegraben hat. Aufgrund des großen Gefälles zum Jordan hin bilden die Täler des Wadi Rajib tiefe Geländeeinschnitte und werden teils von steilen Klippen, teils aber auch von terrassenartigen Hängen gesäumt. Die reichen Niederschläge und fruchtbaren Böden ermöglichen trotz der kleinteilig gegliederten Landschaft die typische mediterrane Landwirtschaft aus Getreideanbau, Gartenbau, Obstanbau (v. a. Olive und Wein) und Weidewirtschaft mit Kleinvieh (v. a. Ziege und Schaf). Dabei bestehen bis heute in den höher gelegenen Gebieten im Osten teils lockere, teils dichte Bestände immergrünen mediterranen Waldes, der vor allem von Eichen und Pinien geprägt ist. Nach Westen, zum Jordan hin nehmen mit abnehmender Höhe auch die Niederschläge ab und die natürliche Vegetation besteht vor allem aus Gräsern und niedrigen Sträuchern.

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Blick auf die Hügellandschaft des westlichen, unteren Wadi Rajib im Frühjahr: Gärten und Weiden nehmen die Terrassen und Hänge zu beiden Seiten des schmalen, tief eingschnittenen Flusstals ein. Im Hintergrund zeichnen sich das Jordantal und die Berge des Westjordanlandes ab.

Projektziele

Mit Ausnahme der Freilegung zweier byzantinischer Kapellen haben in Wadi Rajib seit den 1960er Jahren keine archäologischen Forschungen mehr stattgefunden. Mehrere Projekte in anderen Tälern des Ajlun haben seit den 1980er Jahren gezeigt, dass die Ergebnisse älterer, groß angelegter Surveys der Region uns nur ein sehr unvollständiges Bild der Besiedlung und Geschichte dieser Landschaft vermitteln. Zum einen bevorzugten sie größere und gut sichtbare archäologische Siedlungen und noch oberirdisch anstehende Ruinen, zum anderen vernachlässigten sie andere Zeugen menschlichen Lebens und Wirtschaftens in der Landschaft. Wadi Rajib war das letzte größere Talsystem im Ajlun, das noch keinem rezenteren und intensiveren Survey unterzogen wurden.
Vor diesem Hintergrund ist das Ziel der ersten Projektphase, archäologische Stätten und kulturelles Erbe der Region in ihrer ganzen Vielfalt zu erfassen und zu dokumentieren. Das bedeutet, dass wir uns nicht allein auf die größeren Siedlungen konzentrieren, die in der Regel bereits erfasst wurden, sondern dass wir jenseits und zwischen ihnen nach allen Zeugnissen menschlicher Aktivitäten suchen, so z. B. nach kleineren Siedlungen oder Gehöften, nach einzelnen Gebäuden wie etwa Wassermühlen, nach Installationen wie Silos oder Weinpressen und nach anderen temporären Aufenthaltsorten von Menschen wie Höhlen oder Lagerplätzen, an denen vielleicht nur wenige Artefakte zurückgeblieben sind. Dazu befragen wir die Bewohner des Tales und begehen Felder, Pflanzungen und Gärten entlang des Flusses wie an den Hängen und auf den Höhen der Berge. Dabei dokumentieren wir Orte aus allen Epochen der Vergangenheit – aktuell von der Frühen Bronzezeit (ca. ab 3900/3700 v. Chr.) bis zur Osmanischen Epoche (bis zum 1. Weltkrieg).

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Ein Ausschnitt aus der Vielfalt archäologischer Stätten in Wadi Rajib (im Uhrzeigersinn von oben links): Weinpresse; Felsnische - wahrscheinlich für ein Ossuarium; Siedlungshügel Tell el-Mrabba; Türme zweier Fallrohr-Wassermühlen aus osmanischer Zeit.

In Zukunft hoffen wir, den Survey um Sondagen und Ausgrabungen ergänzen zu können. Unsere mittelfristigen Ziele konzentrieren sich insbesondere auf die Epochen der Frühen bis Späten Bronzezeit und der Eisenzeit (ca. 3900 v. Chr. – 330 v. Chr.). Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt unseres Interesses:

  1. Wie sah das Siedlungssystem in den jeweiligen Epochen aus? Welche Bestandteile hatte es neben den bereits bekannten Siedlungen? Und welche Funktion hatten die einzelnen archäologischen Stätten in diesem Siedlungssystem?
  2. Wie bewirtschafteten die Bewohner das Tal? Was für Feldfrüchte und Obst bauten sie an und welche Tiere hielten sie? Was waren die Bestandteile ihrer Nahrung? Und welchen anderen Tätigkeiten gingen sie nach? Beuteten sie andere Ressourcen aus? Übten sie handwerkliche Tätigkeiten aus?
  3. Welche Beziehungen unterhielten die Bewohner des Tales zu den Nachbarregionen – insbesondere dem Jordantal im Westen und dem Gebiet um Jerash im Osten – sowie darüber hinaus? Tauschten Sie Erzeugnisse des Tales gegen andere Güter? Wie stark waren sie eingebunden in Handelsnetzwerke? Und wie bedeutsam war das Tal möglicherweise als Verkehrsweg?

Interessant wird es vor allem sein zu verfolgen, wie sich diese Aspekte im Laufe der Zeit verändern und welche Beziehungen sich zwischen den einzelnen Aspekten – Siedlungswesen, Wirtschaft, Austausch – zeigen. Dabei wird es auch darum gehen, die Auswirkungen größerer historischer Veränderungen auf die Mikroregion von Wadi Rajib zu verstehen.

Surveykampagne 2021

Während der Surveykampagne 2011 wurden innerhalb von 11 Tagen im Feld mehrere unterschiedliche Bereiche entlang des Hauptflusslaufs von Wadi Rajib untersucht. Bei der Untersuchung von acht bereits bekannten Siedlungen wurden zum Teil dramatische neue Erkenntnisse zu bis dahin nicht dokumentierten Besiedlungsphasen gewonnen, aber auch bestehende Erkenntnisse weitgehend bestätigt.

Erstmalig dokumentiert wurden darüber hinaus 25 weitere archäologische Stätten mit insgesamt über 70 Einzelinstallationen. Das Spektrum der dokumentierten archäologischen Fundstätten reicht von kleineren Artefaktstreuungen, über diverse Felsinstallationen, die zum Teil einzeln, häufig aber auch in größeren Gruppen auftraten wie Felsmulden (cup marks) und –bassins, Silos und Zisternen, Weinkeltern und einer Vielzahl von Felsnischen, Felskammern und Höhlen sowie größeren und kleineren Steinbrüchen bis hin zu einzelnen Gebäuden oder Gebäudekomplexen, darunter Gebäude aus byzantinischer Zeit oder osmanische Wassermühlen, und den bereits bekannten Siedlungen. Unter den neuen Fundorten besonders bedeutsam – weil in dieser Form bislang noch nicht dokumentiert – sind zwei kleinere Gebäudekomplexe, möglicherweise Gehöfte, mit bronze- und eisenzeitlichen Befunden. Die chronologische Spannweite der Befunde und Funde reicht aktuell von der Frühen Bronzezeit (ca. 3900-2400 v. Chr.) bis in die Osmanische Zeit (1516-1918 n. Chr.), wobei sich viele der Felsinstallationen nicht eindeutig datieren lassen.

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Zwischen Felsen gelegen: Die beiden Pfeile markieren die ungefähre Ausdehnung des neuen Fundplatzes an-Nasraniyye A auf einer Terrasse im westlichen Bereich von Wadi Rajib, der ein Gehöft mit bronze- und eisenzeitlicher Nutzung darstellen könnte.

Insgesamt hat die erste Kampagne damit vor allem die Vielfalt der archäologischen Befunde jenseits der Siedlungen demonstriert, auf die sich die bisherigen Forschungen weitgehend konzentriert hatten. Neue Befunde zeigen weiterhin, dass mutmaßlich spätestens ab der Mittelbronzezeit auch kleinere Gehöfte oder ähnliche Gebäudekomplexe jenseits der dörflichen Siedlungen Bestandteil des Siedlungssystems gewesen sein dürften. Ferner deuten sich für die verschiedenen Abschnitte der Bronzezeit sowie für die Eisenzeit eine dichtere Besiedlung an, als bislang angenommen wurde. Noch deutlicher ist allerdings die Zunahme an Fundplätzen für die römische Periode.

Surveykampagne 2022: Von Siedlungen und Grabstätten

Im September 2022 konnte mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften, eine zweite, vierwöchige Surveykampagne in Wadi Rajib durchgeführt werden. Unsere Aufmerksamkeit galt dabei vor allem zwei Zielen:

  1. Der Untersuchung weiterer bereits bekannter Siedlungen und Fundstätten entlang des Haupttals von Wadi Rajib zur Überprüfung ihrer Datierung und Siedlungsgeschichte.
  2. Der näheren Untersuchung des westlichen, unteren Abschnitts von Wadi Rajib, insbesondere der kleineren und größeren Terrassen zu beiden Seiten des Tales.

Wir konnten insgesamt fünf bekannte Fundorte, davon vier Siedlungen, lokalisieren und untersuchen. Dabei konnten wir zum Teil erneut zuvor nicht bekannte Besiedlungsperioden dokumentieren und in drei Fällen das erste Mal systematische Daten zur Ausdehnung der Orte erheben. Am Interessantesten stellte sich die Situation am Fundort Khirbet as-Suq dar, der sich am Zusammenfluss von zwei Wasserläufen über drei separate Anhöhen verteilt. Im westlichen Teil von Khirbet as-Suq konnten wir Keramik nicht nur wie unsere Vorgänger aus der Eisenzeit II (ca. 1000–540 v. Chr.) und byzantinischer Zeit bergen, sondern auch aus hellenistischer und römischer Zeit. Interessanterweise scheint die frühere Besiedlung an anderer Stelle zu liegen als die byzantinische.

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Auf einem kleinen Plateau mit guter Sicht über das Flussbett liegt der früheisenzeitliche Fundort WR 97, ein Gebäude dessen Grundmauern aus Steinquadern noch zu sehen sind.

Im westlichen Bereich des Wadis konnten wir eine neue Niederlassung aus der Eisenzeit I (ca. 12.-11. Jahrh. v. Chr.) entdecken, die nur aus einem einzelnen Gebäude – vielleicht einem Wachtposten (?) – besteht. Ansonsten konnten wir eine Reihe weiterer Fundstätten mit landwirtschaftlichen Installationen wie etwa Weinkeltern, sowie Dutzenden in den Fels eingetieften Mulden dokumentieren.

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Einige der zwei Dutzend Felskammergräber an der Fundstätte Abu al-Ful.

Die wesentlichen Ergebnisse dieser Kampagne liegen aber im Bereich der Begräbnisstätten. Wie im vorherigen Jahr stießen wir wieder auf zahlreiche Felskammergräber und Felsnischen, mal vereinzelt, mal in kleineren Gruppen. An zwei Stellen fanden wir größere Gruppen von Felskammern. Beide waren schon seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt, aber nie umfassend dokumentiert worden. Zu unserer Überraschung fanden wir zwischen und vor den Felsen an einem der beiden Orte namens Abu al-Ful auch einige Dolmengräber vor.

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Einige der über dreißig Dolmen auf einem Felssporn an der Nordseite von Wadi Rajib.

Auf ein zweites Dolmenfeld mit etwa 30 Dolmen stießen wir gegen Ende der Kampagne. Die Existenz von Dolmen war in dieser Gegend schon auf einer Karte vom Beginn des 20. Jahrh. verzeichnet worden, es war jedoch unbekannt, dass es sich nicht allein um einzelne Dolmen handelt. Vereinzelte Dolmen fanden wir auch in der weiteren Umgebung dieser beiden Fundorte. Während wir wenig Anhaltspunkte für die Datierung der Dutzende leerer Felskammergräber haben, datieren die Dolmen mit großer Sicherheit in die Frühbronzezeit, aktuellen Forschungen in der Region zufolge höchstwahrscheinlich in die Frühbronzezeit I (ca. 3900/3700–3000 v. Chr.). Das wirft neue Fragen auf, da wir im unteren Bereich des Tals, wo wir nun rund 40 Dolmen dokumentieren konnten, bislang noch keine einzige Siedlung aus dieser Epoche kennen. Diese zu finden bleibt eine Aufgabe für zukünftige Forschungen.

Publikationen

  • Simon M. Halama / Nabil Ali / Samar Shammas: Survey in Wadi Rajib, Nordjordanien. Vorbericht zur ersten Kampagne 2021. Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 154 (2022), S. 63-101.
  • Simon M. Halama: Zwischen Jerasch und Jordan. Forschungen in Wadi Rajib (Nordjordanien) 2021. In: Joachim Marzahn / Dirk Wicke (Hg.): Zwischen Schwarzem Meer und Persischem Golf. 125 Jahre Deutsche Orient-Gesellschaft. Darmstadt: wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) - 2023, S. 123-128.

Kontakt

Leitung: Simon M. Halama (s.halama@lmu.de) und Nabil Ali (nabil.ali@ju.edu.jo)
Mitarbeit: Samar Shammas

Förderung

Das Projekt wurde von folgenden Organisationen und Institutionen finanziert und gefördert, wofür wir uns herzlich bedanken.

  • Deutsche Orient-Gesellschaft (Surveykampagne 2021)
  • Fakultät für Kulturwissenschaften der LMU München (Surveykampagne 2022)

Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Simon M. Halama