Vorderasiatische Archäologie
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Isin/Irak (1973-1989)

Zwischen 1973 und 1989 führte das Institut unter Prof. Hrouda Ausgrabungen in der südirakischen Metropole Isin durch; mehrere Unterbrechungen wurden durch den irakisch-iranischen Krieg verursacht, weshalb die Arbeiten schließlich auch auf unbestimmte Zeit eingestellt wurden. Die Ausgrabungsergebnisse sind in vier Bänden der Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zwischen 1977 und 1992 erschienen.

Isin heißt heute Isan el-Bahriyat und liegt 200 km südsüdöstlich der irakischen Hauptstadt Bagdad. Die identifizierung der bis dahin nur aus keilschriftlichen Quellen bekannten Stadt Isin gelang dem englischen Offizier K. Stevenson zu Beginn der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, später wurde sie durch die Untersuchungen von A.T. Clay und S. Langdon bestätigt.

Die Ruine bedeckt eine Fläche von etwa 1,5 km2. Die altmesopotamische Stadt war zu Beginn des 2. Jt. Hauptstadt der Amurriter, in der Kassitenzeit Hauptkultort der Heilgöttin Gula. Gula entwickelte sich im 2. Jt. v. Chr. zur alleinigen Heilgöttin Mesopotamiens.

Bauwerke

Das bedeutendste Bauwerk von Isin ist der Tempel der Stadtgöttin Gula, auch Nin-Isina, 'Herrin von Isin', genannt. Dieses 60 x 50 m große Gebäude und der dazu gehörige Tempelbezirk waren von einer Temenosmauer umgeben. Der Tempel konnte bis in die Zeit um 3000 v. Chr. zurückverfolgt werden. Im 14. Jh. stand er auf einer im Laufe der verschiedenen Bauphasen 'gewachsenen' Terrasse. Deshalb war er über eine 4 m breite, 19-stufige Freitreppe zu betreten, die in den Haupteingang mündete.

Aus der Zeit der I. Dynastie von Isin stammt eine Anlage im Südosten der Stadt, die vielleicht ein Palast gewesen sein könnte.

Die Bebauung der altbabylonischen Zeit umfaßt mehrere Gebäude, unter anderen ein Wirtschaftsgebäude. Das darin gefundene Inventar gibt Anhaltspunkte für die Funktion der Räume: eine Werkstatt mit Arbeitsräumen und Höfen, Aufenthalts- oder Speiseraum sowie Wohnkammern.

Ein villenartiges Gebäude ist ein etwa 400 m2 großes Haus aus dem 2. und 1. Jt. v. Chr. Zimmer und Kammern, ein Hof mit Treppenhaus, Küche, Privatgemächer und Sanitäranlagen gehören zum Standard eines mesopotamischen Wohnhauses.

Kleinfunde

Das heilige Tier der Gula war der Hund. Als Grund für die Verbindung zur Heilgöttin könnte der antiseptische Speichel dieses Tieres angesehen werden.

Weihgaben in Form von Bronze-, Ton- und sogar Goldfiguren von Hunden lagen besonders dicht im Bereich des Tempels. Hunde wurden aber auch auf einer Rampe, die wohl auf den Tempelbezirk zu beziehen ist, in Gräbern beigesetzt. Nicht nur der Ort, auch die Art und Weise der Niederlegung lassen auf rituelle Tierbestattungen schließen. Die schlankwüchsigen Tiere besaßen eine Widerristhöhe zwischen 45 und 50 cm. Eine durch Darstellungen belegte Hunderasse war stehohrig, mittellang behaart und trug eine offene eingerollte Rute.

Eine zahlreich vertretene Fundgattung sind Terrakottareliefs. Diese Täfelchen aus gebranntem Ton tragen an ihrer Schauseite bildliche Darstellungen, wurden an einem bevorzugten Platz im Wohnhaus aufgehängt oder aufgestellt und verehrt; sie dienten auch als 'ex voto'-Figuren in Tempeln. Strauße, die außerhalb Isins selten abgebildet werden, genießen in dieser Stadt offensichtlich ein hohes Ansehen.

Keramik

Die frühgeschichtliche Zeit ist in Isin fast ausschließlich durch Keramik nachgewiesen, darunter Fragmente der bemalten 'Obed-Keramik und einfache, engobierte, bemalte sowie ritzverzierte Stücke der Uruk-Zeit. Den überwiegenden Anteil bildet die grobe, meistens unverzierte Gebrauchs- und Haushaltskeramik des 2. Jt. Es sind Gefäße ohne Henkel und Tüllen, wie flache Teller, Schalen, Becher und Flaschen. Dennoch gab es eine Gruppe mit geometrischen Mustern dekorierter Gefäße, der sog. 'Isin-Bemalung'.

Schriftfunde

Bei den Ausgrabungen in Isin kamen über 860 Keilschriftfunde zu Tage. Der älteste Schriftfund aus Isin datiert in die Fara-Zeit (um 2800 v. Chr.). Der akkadische Herrscher Manistusu hat eine Weihkeule für Gula mit seiner Inschrift versehen. Aus der altbabylonischen Zeit stammt die größte Menge der Keilschrifttexte: Wirtschaftstexte, Tonnägel mit Königsinschriften, Schultexte, Briefe, literarische Texte, lexikalische Listen, darunter eine Götterliste, und Liebesbeschwörungen.

Die Ruine ist außerdem übersät mit gestempelten Ziegeln, die Bau- und Weihinschriften der Herrscher dieser Stadt tragen. Im Gula-Tempel ließen sich anhand von Stempelziegeln mit Königsnamen verschiedene Bauphasen ermitteln.

Bestattungen

Die Vielfalt der mesopotamischen Grabformen finden wir auch in Isin. Es gab neben Friedhöfen auch Gräber und Grüfte in und unter Wohnhäusern.

Isin als Stadt der Heilkunst war auch Wallfahrtsziel für kranke Menschen. Viele der in den Gräbern von Isin liegenden Menschenskelette zeigen krankhafte Veränderungen der Wirbelsäule.