Vorderasiatische Archäologie
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Al Sufouh 2/Dubai (2001-2004)


Das Institut für Vorderasiatische Archäologie der LMU führte eine Ausgrabung der Fundstätte Al Sufouh 2 in Dubai durch; das Projekt lief von Frühjahr 2001 bis Herbst 2004, wobei jährlich zwei Kampagnen (Frühjahr und Herbst) abgehalten wurden. Die Ausgrabung erfolgte in einer interdisziplinären Kooperation mit dem Institut für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin der LMU, der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München, dem Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg und der archäologischen Sektion des Department of Tourism and Commerce Marketing in Dubai.

Bei diesem interdisziplinären Projekt stand – neben der Dokumentation archäologischen Materials und seines Umfeldes – die Bergung archäozoologischer Funde im Vordergrund. Im Zentrum der Ausgrabung lagen mit Calciumcarbonat verkrustete Kamelknochen im Kontext mit mehreren Feuer- und Kochstellen. Schnittspuren und die Deponierung ohne anatomischen Kontext identifizierten die Knochen als Überreste geschlachteter Tiere und somit die Fundstätte als Schlachtplatz für Dromedare.

Lokalisierung

Der Fundort befindet sich an der Westküste der Arabischen Halbinsel, im Emirat Dubai der Vereinigten Arabischen Emirate. Die archäologische Stätte Al Sufouh 2 ist zwischen Dubai-Stadt und der Jebel Ali Free Trade Zone gelegen, innerhalb der heutigen Dubai Internet City bzw. des Dubai Knowledge Village. Die Entfernung von der modernen Küstenlinie beträgt etwa 1,5 km.

Topographie

Das Hauptareal der Grabung erstreckte sich entlang dem nordwestlichen Abhang einer flachen Sanddüne, die etwa parallel zur modernen Küstenlinie verlief. Die höchste Erhebung der Düne befindet sich in ihrem südöstlichen Teil, wo das Grabungshaus etabliert wurde. Eine zweite Reihe von Dünen bildet ein trennendes ridge zwischen der Sheikh Zayed Road und der archäologischen Stätte. Während die Dünen virtually frei von Vegetation sind – abgesehen von Dattelpalmen, die vermutlich erst jüngst gepflanzt worden waren – ist die Sabkha von dichter halophytischer Vegetation bedeckt. Loser heller Sand stellt die Oberfläche der Dünen dar, im Gegensatz zu einem dunkleren Boden, der auf der Sabkha sichtbar ist, mit einem hohen Gehalt an evaporierten Salzen und Gips. Verstreut erstrecken sich Streifen von beach rock auf der Oberfläche, parallel zur Küstenlinie.

Im November 2002 bekamen wir die Gelegenheit, aus einem Hubschrauber Luftaufnahmen von der Grabungsstätte zu machen. Diese geben einen ungefähren Eindruck der vorgefundenen Oberfläche und zeigen die von uns angelegten Grabungsschnitte. Dabei sind die quadratischen Schnitte mit Abmessungen von 5 x 5 m im Hintergrund; über das gesamte Areal verteilt finden sich langrechteckige Schnitte von meist 2 x 9 m, die zudem genordet sind.

Areale

Insgesamt wurden in acht Arealen 40 Schnitte angelegt, 33 davon innerhalb des umzäunten Areals A.

Areal A

Die archäologischen und archäozoologischen Funde stammen aus Schnitten entlang eines parallel zur modernen Küste verlaufenden Dünenhangs. Dieser umzäunte Bereich trägt die Bezeichnung Areal A und ist die Ausgrabungsstelle, die die im folgenden vorzustellenden Ergebnisse zeitigte.

Die ersten 18 Schnitte betragen 5 x 5 m, mit einem Steg von 1 m Breite dazwischen. In der Folge wurden weitere 15 Schnitte mit einer Abmessung von 9 m Länge geöffnet.

Hauptmerkmale sind versinterte Knochen, vergesellschaftet mit Mollusken, Feuer- und Kochstellen.

Geomagnetische Prospektion und die Anlage einiger Schnitte außerhalb der Umzäunung erbrachten keine Hinweise auf menschliche Aktivitäten; nur in Areal T ließen einige Spuren (Keramikfragmente, grünliche Steinperle) die Existenz einer inzwischen fast vollständig verschwundenen hafit-zeitlichen Bestattung möglich erscheinen.

Zusammen mit dem archäozoologischen Material traten nur sehr wenige archäologische Funde zu Tage.

Kleinfunde

Abgesehen von archäozoologischem Material und geologischen Beobachtungen und Bodenproben setzen sich die Kleinfunde von Al Sufouh 2 aus vier Materialgruppen zusammen.

Keramik

Die Keramikfunde aus der Grabung von al-Sufouh 2 stammen zum großen Teil aus dem direkten Kontext der Knochen und setzen sich aus bemalten Scherben der sogenannten Wadi Suq-Ware (ca. 1900-1650 v. Chr.) und unbemalten Fragmenten unterschiedlicher Qualität und Farbe zusammen.

Die ersten Keramikfunde bestanden aus Scherben der Wadi Suq-Ware und können einem Becher mit senkrechter Wandung zugeordnet werden; vermutlich stammen die beiden Scherben von demselben Gefäß.

Die unbemalten Scherben weisen verschiedene Waren unterschiedlicher Färbung und Magerung auf.

Eine eigene Gruppe bildet eine sehr feine, hellorange Ware, für deren zahlreiche kleinste Fragmente keine Form mehr nachzuweisen ist. Sie wurden außerhalb der Umzäunung, in etwa 500 m Entfernung, an einer Stelle gefunden, an der die moderne Oberfläche eine leichte Erhöhung (ca. 80 cm) aufwies. Überlegungen, die hier freigelegte Struktur als Reste eines Grabes – vielleicht aus der Hafit-Zeit – zu interpretieren, konnten nicht bestätigt werden; schließlich wurde das Areal zur weiteren Bebauung durch das Dubai Internet City Project freigegeben.

Steinartefakte

Die Vorderseite eines Steines zeigt mehrere parallele Ritzungen, die möglicherweise auf eine Bearbeitung zurückzuführen sind.

Die Feuerstein-Spitze wurde, wie einige andere Funde, direkt unter der modernen Oberfläche gefunden. An einer Seite sind zwei Grate als Spuren des Abschlags zu erkennen.

Der Schaber hat eine abgearbeitete Klinge und weist Spuren mehrerer Abdrücke auf.

Perlen

Aus Areal A Schnitt 1 stammen zwei Steinperlen:

Eine kurze weiße Perle zeigt einen runden Querschnitt und eine Längsdurchbohrung.

Eine Perle aus bräunlichem Stein besitzt eine flache Form und war ebenfalls längs durchbohrt.

Die grünliche Perle wurde in Areal T Schnitt T1 (dem vermuteten Grab) gefunden. Sie weist eine große Längsdurchbohrung auf; allerdings ist es möglich, dass in diesem Fall die Perle horizontal getragen wurde, da eine Seite nur in etwa halb so lang ist wie die gegenüber liegende.

Metallobjekte

Die bronzene Pfeilspitze ist etwa 2,5 cm lang und besitzt einen quadratischen Dorn. Sie ist durch eine breite Mittelrippe gekennzeichnet.

Auffällig an einer Dolchklinge oder Lanzenspitze ist das Fehlen einer Mittelrippe oder eine Verdickung zur Mitte hin. Eine genaue Identifikation des Objektes konnte nicht vorgenommen werden.

Die kupferne Axtklinge ist ca. 20 cm lang. Der nächste der zahlreichen Parallelfunde stammt aus dem Umm an-Nar-Grab in Al Sufouh 1, etwa 1,5 km nordöstlich der Grabung.

Funde aus organischem Material

Das Objekt aus Knochen besitzt eine dem Material geschuldete Wölbung in der Längsachse und kann als Spatula bezeichnet werden.

Das spitz zulaufende Objekt weist einen schichtartigen Aufbau auf; die Materialbestimmung steht noch aus, vermutlich handelt es um die Schulpe eines Tintenfisches.

Aus dem Siebabfall konnten zwei Perlen geborgen werden; die kleinere zeigt eine kräftige gelbe Farbe und regelmäßige Form, während die zweite perlweiß und unregelmäßig ist.

Archäozoologie

Im Herbst 2001 nahmen die Archäozoologen Prof. Dr. Angela von den Driesch, Institut für Paläoanatomie und Geschichte der Tiermedizin der LMU, und Dr. Henriette Manhart, Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München, die Arbeit am Knochenmaterial von Al Sufouh 2 auf.

Die Tierknochenfunde stammen zum größten Teil von terrestrischen Säugetieren, umfassen aber auch verschiedene Reste mariner Fauna, wobei besonders Fischknochen und Mollusken zu nennen sind.

Säugetiere

Das archäozoologische Material aus Al Sufouh 2 besteht hauptsächlich aus Knochen von einhöckrigen Kamelen (Camelus thomasi = Dromedaren), wobei ihr fragmentierter Zustand, die disartikulierte Fundlage und gelegentlich festgestellte Schnittspuren belegen, dass es sich um Schlachtabfall handelt. Vermutlich wurde wegen seiner Nahrhaftigkeit auch das Knochenmark gewonnen.

Die Mindestindividuenzahl (MNI) liegt bei 123. Alle Knochen des Skeletts sind repräsentiert. Die Knochen stammen sowohl von männlichen als auch weiblichen Tieren aller Altersgruppen; dabei war die Mehrzahl adult oder fast adult, während Jungtiere selten belegt sind.

An einigen Knochen lassen sich Schnittspuren feststellen; dies belegt, zusammen mit dem fragmentierten Zustand und der disartikulierten Fundlage, dass es sich um Schlachtabfall handelt.

Die Knochen fanden sich in zwei Schichten: Jene in der unteren waren nicht verbrannt und fanden sich zusemmen mit Keramikscherben der Wadi Suq-Zeit (1. Hälfte 2. Jt.). Dieser Umstand macht den Fundort zu einem Schlüsselfundplatz in der Diskussion um die Domestikation des Kamels, die vermutlich in dieser Zeit auf der Arabischen Halbinsel stattfand. Daher besaß die Untersuchung des Knochenmaterials hinsichtlich einer Identifizierung der Herkunft von wilden oder domestizierten Kamelen höchste Priorität.

Die Knochen in der höher gelegenen Schicht – von jenen der tieferen durch eine Lage Sand als Beleg für eine nicht bestimmbaren zeitlichen Abstand getrennt – fanden sich häufig in Feuer- und Kochstellen, zusammen mit zahlreichen Knochen verschiedener Fischarten, verschiedenen marinen Mollusken und Schalentieren.

Marine Fauna

Zu hunderten fanden sich in der Grabung Exemplare von Terebralia palustris, einer Schneckenart, die bevorzugt in Mangrovensümpfen lebt, von deren Blätter ihre Nachkommen sich ernähren.

Ebenfalls im Fundmaterial belegt ist Scylla serrata, eine Krabbe, die in sumpfiger Umgebung lebt.

Ein weiterer Funde, der das Spektrum an mariner Fauna komplettiert, ist ein Teil des Panzers (oben drei Vergleichsstücke aus einem anderen Fundort) einer Meeresschildkröte.

Aus dem Siebabfall konnten zwei Perlen geborgen werden; die kleinere zeigt eine kräftige gelbe Farbe und regelmäßige Form, während die zweite perlweiß und unregelmäßig ist.

Geologie

Seit dem Herbst 2002 wurden geomorphologische Untersuchungen durch Prof. Dr. Helmut Brückner, Dr. Anja Zander und Dr. Karl-Heinz Müller, Department Geographie der Universität Marburg, durchgeführt.

Sie konzentrieren sich auf drei Themen: 1. Die Erforschung der näheren und weiteren Umgebung der Fundstelle, bei der an mehreren Stellen Spuren eines antiken (Mangroven-)Sumpfes festgestellt wurden, 2. die verschiedenen Schichten von Beachrock-Streifen, die in der Grabung nachgewiesen wurden, und 3. die Aufnahme von Plana und Profilen zur Dokumentation der Stratigraphie in der Grabung selbst.

Mangrovensumpf

Bei der Untersuchung der Umgebung wurden an mehreren Stellen Reste eines antiken Mangrovensumpfes festgestellt. Diese geologische Situation zog über einen längeren Zeitraum die Kamele und dadurch auch die Menschen an.

In Profilen außerhalb der Grabung wurden antike Mangrovenstümpfe entdeckt. Einer davon konnte auch geborgen werden und ist heute im Dubai Museum ausgestellt.

Die Zeichnung zeigt das Profil eines Baggerschnitts (Nr. 6-8), in dem durch einen glücklichen Zufall antike Baumstümpfe entdeckt wurde; inzwischen haben Untersuchungen den am besten erhaltenen als Mangrove (Avicennia marina) identifiziert, der auch heute auf der Arabischen Halbinsel vorkommenden Art. Die C14-Analyse für den Baumstamm (Probenentnahme durch ein Kreuz gekennzeichnet) ergab ein Alter von  6200 ± 50 Jahre  v. u. Z., d. h. 5255-5062 v. Chr.

An der Vorderseite befanden sich noch Austern (Saccostrea cuccullata [Born, 1778]), die zusammen mit einer grauen Reduktionsschicht vor und hinter dem Baumstamm auf ein feuchtes Milieu hinweisen.

Die Mangroven datieren einige Jahrhunderte früher als der Höhepunkt der marinen Transgression im frühen Holozän, während der sogenannten Atlantic Period.

Untersuchungen an anderer Stelle im Frühjahr 2003  nahe den Dubai Marina erbrachten wiederum Beweise für die frühere Existenz eines Sumpfes mit Mangroven, vielleicht jünger als der zuerst entdeckte. Wie auf dem Plan zu erkennen ist, befindet sich dieser zweite Sumpf (nahe Nr. 19) näher an der heutigen Küstenlinie und könnte den nächsten Schritt in der allmählichen Regression der Küstenlinie darstellen.

Interne Stratigraphie

Der fossile Baumstamm und die daran hängenden Austern belegen das ehemalige Vorhandensein eines Priels, dessen Ufer von Mangroven gesäumt waren. Dieser  Meeresarm wurde später durch marinen Sand bedeckt, in dem – in anderen Schnitten der Grabung – viele Exemplare der zweischaligen Anodontia edentula (Linnaeus, 1758) in ‘living position’ gefunden wurden. Der natürliche Lebensraum dieser Art ist Schlamm und schlammiger Sand der unteren Uferzonen. Die Anordnung der zweischalige Asaphis violascens zeigt den Verlauf des Wellensaumes des antiken Meeresufers.

Zusammenfassung

Die archäologische Stätte Al Sufouh 2 beherbergt die Reste von mindestens 60 geschlachteten Dromedaren; die Datierung in die Wadi Suq-Zeit (ca. 1900-1650 B.C.) wird durch mitgefundene Keramikscherben belegt.

Die geologische Situation in Al Sufouh 2 weist auf das Vorhandensein eines ehemaligen, jetzt ausgetrockneten Sumpfes (Sabkha, Lagune) hin, der vermutlich die Kamele und dadurch auch die Menschen anzog.

Das Ausgrabungsprojekt Al Sufouh 2 wurde als Kooperation zwischen der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Philipps-Universität Marburg und dem Department of Tourism and Commerce Marketing (DTCM) Dubai durchgeführt.

Dabei ist der großzügigen Förderung durch die Regierung des Emirats Dubai zu danken, dessen Department of Tourism and Commerce Marketing (DTCM) die Finanzierung der Grabungsarbeiten und weiterführender Untersuchungen übernommen hat.